Dienstag, 26. April 2011

Der freie Wille: Philosophischer Ansatz

Zu der Frage nach dem freien Willen blinkt ein inzwischen relativ bekanntes Modell im Hinterkopf auf, das auch hier erwähnt werden soll: Die Maslow'sche Bedürfnispyramide.

 
Was ist ein Bedürfnis? Ein Wunsch? Eine Notwendigkeit? Es hat immer ein Ziel oder Motiv, eine Richtung, ein Streben nach etwas, was man gerade nicht hat. Definiert wird es zumeist als Empfinden eines Mangels - ob nun physisch oder psychisch, ob real oder nicht. Was tun diese Bedürfnisse mit uns?

Die Theorie ist simpel und verständlich - wer seine Grundbedürfnisse nicht gedeckt hat, weil er zum Beispiel gerade als Obdachloser um Geld für ein Stück Brot bettelt, strebt (zumindest in diesem Moment) nicht danach, sich als Hollywoodschauspieler selbst zu verwirklichen. Schon klar. Doch die breite Masse der Bevölkerung wird von sich behaupten, die ersten drei bis vier Stufen schon erreicht zu haben, zumindest teilweise. Die meisten Mitteleuropäer klagen auf hohem Niveau. Die Grund- und Sicherheitsbedürfnisse sind (theoretisch) für jeden staatlich gesichert. Fast jeder besitzt mindestens ein Handy und eine Email-Adresse, selbst Kinder. Wonach streben wir eigentlich noch?

Gibt es nur noch den großen Wunsch nach Selbstverwirklichung und Anerkennung? Castingshows, in denen scharenweise Bewerber allesamt reiche und berühmte Sänger / Tänzer / Entertainer / Models (nicht zutreffendes streichen) sein wollen. Millionenschwere Modedesigner entwerfen die Must-haves der Saison und definieren damit die Farben, die in diesem Frühjahr modern sind - und die die gar nicht mehr anzusehen sind. Läden, in denen Tiermode zum Preis von Kleinwagen angeboten wird. Sogenannte "Celebrities", die sich alles, aber auch wirklich alles, selbst den persönlichen Vibrator, mit Diamantsteinchen besetzen lassen. Und die, die es nicht geschafft haben, an der Spitze zu bleiben, gehen durch die RTL-Dschungel-Hölle. Das alles nachzulesen in etlichen Magazinen. Dekadent. Diese Menschen gibt es. Ein Rausch nach Aufmerksamkeit und nach jedem Fetzen Ruhm.
Doch ist das auch im Kleinen so? Ohne diese Extreme? Bei Frau Müller von der Käsetheke, die nach Feierabend entscheidet, ob sie ihrem Mann lieber Krakauer mit Kartoffelpüree oder doch Frikadellen machen soll? Wird jede noch so kleine Entscheidung bei jedem Menschen danach gesteuert, welche Alternative am ehesten zu Befriedigung unserer Bedürfnisse besteuert?

Zunächst einmal hat jeder Mensch andere Bedürfnisse. Doch wenn man nun einen Satz von Bedürfnissen voraussetzt - handeln wir wirklich danach?

Tun wir einmal so, als wären diese Bedürfnisse hier für alle vorgegeben:
  • Grundbedürfnisse: Atmung, Schlaf, Nahrung, Wärme, Gesundheit, Wohnraum, Kleidung
  • Sicherheit: Recht und Ordnung, Schutz vor Gefahren, festes Einkommen, Absicherung, Unterkunft
  • Soziale Beziehungen: Familie, Freunde, Partnerschaft, Liebe, Intimität
  • Soziale Anerkennung: Wertschätzung durch Status, Respekt, Auszeichnungen, Lob, Wohlstand, Geld, Einfluss, private und berufliche Erfolge, mentale und körperliche Stärke
  • Selbstverwirklichung: Individualität, Talententfaltung, Perfektion, Erleuchtung, Selbstverbesserung

Handeln wir so? Nach dieser Reihenfolge der Bedürfnisse? Nicht immer. Manchmal muss es eben doch sein, dass man ausgeht, ohne es sich leisten zu können. Anstatt weiter für die dringend nötigen neuen Möbel zu sparen, leistet man sich das teure Handy. Oder pfeift auf die Anerkennung durch die Familie und besucht die Schauspielschule anstatt die Banklehre zu beenden. Oder isst den Cheeseburger anstatt einem Müsli.
Unvernünftig? Ja. Menschlich? Sehr. Die Bedürfnispyramide ist eben auch nur ein Modell - sie funktioniert nicht immer, sondern bildet nur ein Prinzip ab, eine Denkweise unter vielen möglichen.

Ist es überhaupt möglich, Entscheidungen nach der potentiellen Erfüllung von Bedürfnissen zu fällen? Müsste man nicht dann erst einmal abschätzen können, welche Folgen sich aus der Handlung ergeben können? Mehr noch, müsste man nicht zuallererst alle Handlungsmöglichkeiten kennen, um dann die voraussichtlich "bedürfniserfüllendste" Entscheidung treffen zu können?
Machen mich meine Bedürfnisse unfrei? Oder die Unfähigkeit, sie effektiv zu erfüllen? Oder steckt etwas ganz anderes dahinter?

Und gibt es bei Müllers nun Krakauer oder Frikadellen? Der Zusammenhang zu scheinbar trivialen Alltagsentscheidungen ist nur schwer erkennbar. Freies Handeln? Keine Ahnung. Und wer bestimmt eigentlich, wo ich für mich meine Prioritäten setze bei den vielen Bedürfnissen, die der Mensch haben kann?

Diese Frage führt fast schon automatisch, wie so viele Überlegungen, zu der großen Debatte. Woher kommt meine Persönlichkeit, warum bin ich ich und warum nicht du? Die Frage nach dem ganz eigenen, freien Willen stellt auch die Frage: Wer bin ich? Und warum bin ich so?

Die große Debatte? Anlage oder Umwelt. Gene oder Erziehung. Was prägt den Menschen mehr? Oder habe ich sogar selbst einen Einfluss auf meine Entwicklung?

Weiter geht es nach der nächsten Maus. Äh, Entschuldigung, im nächsten Beitrag natürlich ;)

Nachdenklichst
Aryla