Diesen Post hatte ich schon lange Stück für Stück vorbereitet, mit Stichworten, Links und Zitaten... Jetzt ist er fällig. Aus meiner Reihe zum freien Willen - Kann ich das Konzept des freien Willens überhaupt greifen?
Wenn wir nie davon gehört hätten, dass es einen freien Willen geben soll, würden wir dann danach fragen? Ohne die Idee, dass das Denken und Wollen nur aus uns selbst kommt. Die Gedanken sind frei? Will ich, was ich will? Oder sagt mir das schon längst die Werbung?
Bei diesem Thema fällt mir immer Brave New World ein, ein Sci-Fi-Roman von Aldous Huxley aus dem Jahr 1932. In der "schönen neuen Welt" werden die Menschen schon vor der Geburt und während der gesamten Kindheit auf ihre spätere Rolle in der Gesellschaft vorbereitet. Während die Kinder aus niedrigeren Kasten Sauerstoffmangel erleiden und panische Angst vor Büchern antrainiert bekommen, damit sie ungebildet und gefügig bleiben, erhalten nur die Alpha-Kinder die besten Startvoraussetzungen. Aber jeder ist damit glücklich - schließlich weiß jeder, dass die eigene Kaste die beste ist! Gehirnwäsche sei Dank. Und falls doch einmal jemand traurig ist, wirft er einfach ein Gramm Soma ein, die Wunderdroge. Der Weltstaat nutzt alle Mittel, um die Bevölkerung für seine Zwecke zu formen, aber kann er den Menschen damit hundertprozentig bestimmen?
Gibt es neben den endogenen und exogenen Faktoren, also dem klassischen "von innen" (Gene) und "von außen" (Umwelt, Erziehung, Gesellschaft), das mich bestimmt und formt, nicht mehr? Die sogenannten autogenen Faktoren, ich bestimme wer ich bin und lenke mein Handeln, das ist es doch, was der Ausdruck "freier Wille" bedeutet.
Oder um es mit Rosenstolz zu sagen:
Ich bin jetzt, ich bin hier, ich bin ich, das allein ist meine Schuld.
Oder wie J.K. Rowling in ihrer Rede vor Harvard-Studenten:
There is an expiry date on blaming your parents for steering you in the wrong direction; the moment you are old enough to take the wheel, responsibility lies with you.
Und ist es nicht genau das, was wir wollen? Selbst am Steuer sitzen, es alleine geschafft haben, auf eigenen Beinen stehen und unabhängig von der Welt, aus der wir kommen, unseren ganz eigenen Traum zu leben? Das klingt ein bisschen nach Hollywood, aber das ist genau das Gegenteil. Nicht: Am Ende ist wie durch ein Wunder alles perfekt und die Geigen setzen ein, sondern: Ich habe mir dieses Wunder selbst geschaffen. Das ist es, was wirklich zählt, das ist die Realität, oder?
Kann ich überhaupt wissen oder beweisen, dass es einen freien Willen gibt? In Experimenten hat sich immer wieder gezeigt, dass die Erwartung eines bestimmten Ergebnisses die Beobachtung beeinflusst. Also was ich suche bestimmt, was ich finde - kann ich bei so einem essentiellen Thema ein objektiver Beobachter sein? Wahrscheinlich nicht. Dass so viele Menschen davon ausgehen, in ihrem Willen frei zu sein, heißt längst nichts - es ist eine bloße Theorie. Schließlich wusste der Mensch auch einmal, dass die Erde eine Scheibe ist und die Sonne sich um sie dreht.
Oder glauben wir nur, was die Chemie in unseren Gehirnen uns glauben lässt? Immer mehr werden Denkvorgänge entschlüsselt, die Botenstoffe in uns werden offengelegt, ist die Biochemie die neue Philosophie und Psychologie, vielleicht sogar die neue Pädagogik? Eine sehr schwierige und unbequeme Frage.
Eine sehr bekannte Theorie zur Freiheit stammt von Abraham Maslow: die Bedürfnispyramide, das hatten wir schonmal. Sie besagt, dass es verschiedene Stufen der Bedürfniserfüllung gibt, zuerst wollen wir essen und trinken, dann warm und trocken sein, dann erst wollen wir soziale Kontakte und Anerkennung haben und ganz zum Schluss, wenn alle anderen Bedürfnisse befriedigt sind, streben wir nach Selbstverwirklichung. Wir immer das nun wieder zu definieren ist. Die Aussage ist, solange ein untergeordnetes Bedürfnis unerfüllt ist, bin ich unfrei in meinem Willen.
Nur: Wann bin ich dann wirklich frei? Millionen Menschen zeigen einander in diversen digitalen Netzwerken Katzenvideos, anzügliche Witze oder das Mittagessen von gestern, um geliked zu werden. Und mal ehrlich: Wem ist nicht zumindest die Meinung der wichtigsten Menschen in seinem Leben wichtig? Vielleicht sieht nicht jeder von uns den Nachbarn mit dem Porsche neidisch an, aber in unserer modernen, zivilisierten Welt, in der die meisten Leute, die wir kennen, es warm und trocken und dazu noch einen Flachbildfernseher haben, zählt anscheinend der soziale Status umso mehr, und der wird ständig gepflegt. Mit Selbstverwirklichung hat das nichts zu tun. Sind wir also alle Lemminge des Mainstream, wollen wir nur gemocht werden?
The should be a word for the things we do not because we want to but because we want to be the kind of person who wants to.
Ist es das, was uns bestimmt? Ich fürchte, das ist ein Teil der Wahrheit. Ebenso wie die Vorlage zum Film "Das Experiment": Im Stanford-Prison-Experiment herrschten diejenigen Teilnehmer, die als Wärter auserkoren waren, über ihre Gefangenen, sie nutzten ihre Macht auf sadistische Art und Weise aus - war das freier Wille oder verhängnisvolle Gruppendynamik? Wann kann man tatsächlich sagen: Das habe ich getan, nur weil ich es wollte? Manchmal scheinen so viele Türen offen zu stehen, doch ist das wirklich so, oder bilden wir uns das nur ein?
Ist die Idee, die Illusion vom freien Willen vielleicht ein Fehler in der Matrix??? ;-)
(Ja, auch den Witz hatte ich schonmal...)
To be continued...
Aryla